Bankenregulierung und Mindestlohn: Nicht im gleichen Team

Nr. 24 –

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Es ist schon ein paar Monate her, da erschien auf der Website der UBS unter der Rubrik «Unser Unternehmen» ein längeres Schreiben von CEO Sergio Ermotti, das als «Offener Brief an die Mitarbeitenden» bezeichnet war. Der Titel des Textes: «UBS und die Schweiz können beide in der Champions League spielen».

An wen sich der Brief wirklich richtete, blieb indes zweifelhaft. Doch eher an die Öffentlichkeit? Oder an die Behörden? Oder hört sich Ermotti einfach gerne selber zu? Im Text stilisiert sich der Manager zum Retter in höchster Not. Er wäre 2023 bereit gewesen, sich an die Spitze der kollabierenden Credit Suisse (CS) zu setzen. Denn er habe zeigen wollen: «Das Team Schweiz zieht am gleichen Strick.»

Es kam dann bekanntlich anders. Die CS wurde von der UBS geschluckt und Ermotti deren neuer Chef. Und als solcher – das der eigentliche Anlass des Briefes – warnt er eindringlich vor den geplanten Regulierungen durch den Bund, deren Herzstück erhöhte Eigenmittel bei ausländischen Tochtergesellschaften sind. Ermotti beschreibt die Forderungen als Bestrafung, wo doch die UBS die Schweiz durch die Übernahme der CS vor einer schweren Krise bewahrt habe. Und natürlich warnt er nicht um seiner selbst willen, es geht ihm ums Gesamtwohl: Die neuen Regulierungen hätten einen Einfluss auf «Generationen von Schweizer Familien». Ermotti, Jahressalär: fünfzehn Millionen Franken, der Volksdiener. Spürt sich der noch?

«Irgendwann hört es auf», ärgerte sich auch der Direktor des Arbeitgeberverbands, Roland A. Müller, kürzlich, meinte dabei aber nicht Ermotti, sondern andere Mitglieder des «Teams Schweiz»: Coiffeusen und Coiffeure und Reinigungsangestellte etwa. Müller sass, als er das sagte, in einer Anhörung der nationalrätlichen Wirtschaftskommission, in der es um die bürgerliche Forderung ging, kantonale Mindestlöhne ausser Kraft zu setzen, wo diese über den in Gesamtarbeitsverträgen ausgehandelten Löhnen liegen. Es geht um Stundenansätze von 21 Franken in Neuenburg und 24 Franken in Genf. Man könne von der Wirtschaft keine existenzsichernden Löhne verlangen, fand Müller. Wo der Lohn nicht reiche, «muss schlussendlich die Sozialhilfe einspringen», dozierte der Juraprofessor und Goldküstenbewohner laut «Blick», dem das Sitzungsprotokoll zugespielt worden ist.

Während der eine Spitzenmann der Schweizer Unternehmenswelt also seine Forderungen in schwülstige Briefe verpackt, gibt der andere sie blank durch. Auch wenn sich die Rhetorik der beiden unterscheidet – der Schluss daraus ist derselbe: Es gibt kein «Team Schweiz», keine «Champions League», in der wir alle angeblich spielen. Es gibt bloss: Interessen.

Das ist die Gemengelage bei der Bankenregulierung, die nun mit der Vernehmlassung und dann mit der parlamentarischen Beratung in die entscheidende Phase kommt – und bei der auch Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) von unterschiedlichen Interessen spricht, wenn sie auf das aggressive Lobbying der UBS gegen ihre Vorschläge angesprochen wird. Dieses scheint durchaus Wirkung gezeigt zu haben: Gerade die Eigenmittelanforderungen hätten laut Expert:innen deutlich strenger ausfallen müssen, um Risiken wirklich einzuzäunen. Keller-Sutter behauptet dagegen, sie habe einen Kompromiss geschmiedet. Worauf Ermotti erwidert, ein Kompromiss sei nicht immer ein akzeptables Ergebnis. Da hat er für einmal recht. Aber anders, als er das meint.

So ist auch die Gemengelage beim Mindestlohn: Es gibt die Interessen von 390 000 Working Poor in der Schweiz, die sich kaputt arbeiten, ohne dass der Lohn für sie und ihre Familien zum Leben reicht. Oder die ähnlich gelagerten Interessen von vier Millionen Menschen, die nichts oder nur wenig auf dem Konto haben. Und die von einer Wirtschaftskrise schwer getroffen würden, falls sich die UBS nach 2008 wieder einmal grob verzocken sollte.

Und es gibt die Interessen von Ermotti, Müller und Konsorten, die ungehindert Gewinne einfahren wollen und die Risiken und negativen Folgen davon gerne bei der Allgemeinheit abladen.